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Bernsteinzimmer

Bernsteinzimmer

Die Geschichte des Bernsteinzimmers ist so wechselhaft wie die deutsch-russische Geschichte als Ganzes. Alles begann im Jahre 1716, gerade mal 13 Jahre nachdem Zar Peter der Große St. Petersburg im sumpfigen Flußdelta der Neva gegründet hatte. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. schenkte dem Zaren aus Anlass eines Freundschaftsbündnisses zwischen beiden Staaten das Bernsteinzimmer, ein Meisterwerk barocker Bernsteinschnitzerei und ein wahrlich königliches Geschenk. 10 Jahre, von 1701 bis 1711 hatten Handwerker an der Fertigstellung des Zimmers gearbeitet, das ursprünglich vom Vater des Preußenkönigs, Friedrich I., in Auftrag gegeben worden war.

Bernsteinerzeugnisse waren immer sehr gefragt: in der Zeit der späten Antike wurde der bearbeitete Bernstein wertvoller als Gold; im Mittelalter wurden dem Bernsteinschmuck heilende Kräfte zugeschrieben; und im 17. Jahrhundert begann die Blütezeit der Bernsteinschnitzkunst in den Ländern, die in der Nähe von Bernsteinlagerstätten waren: Preußen, Dänemark, Polen und Sachsen. Deshalb waren die Meister aus den Städten Königsberg, Danzig, Lübeck und Elbing besonders berühmt. Hier haben sich ganze Werkabteilungen entwickelt, die dann als "Meistergilde der Bernsteinkunst" bezeichnet wurden.

Gefertigt wurden vor allem kunstvoll gearbeitete Bernsteinkästchen, Kronleuchter, Kerzenhalter, Schachspiele, Pokale, Tabakdosen, Degengriffe, Halsketten und andere Zier- und Gebrauchsgegenstände. Diese Werke der Bernsteinkunst gelangten als Hochzeits- und Diplomatengeschenke in viele europäische Adelshäuser. Aber am Ende des 17. Jahrhunderts kam der Bernstein aus der Mode. Porzellan und kunstvoll verarbeitetes Glas lösten ihn ab. Die Kunst der Bernsteinverarbeitung verschwand, und es blieb für die kommende Generation nur eine Erinnerung diese meisterhafte Handwerkskunst: das Bernsteinzimmer des ersten preußischen Königs.

Doch zuerst einmal verschwand das Bernsteinzimmer für fast 40 Jahre in den Magazinen des Zarenpalastes, bis 1755 Zarin Elisabeth das Zimmer im Katharinen-Palast in Zarskoje Selo aufstellen ließ. Elisabeth beauftragte den Hofarchitekt F. B. Rastrelli, die Paneele des Bernsteinzimmers in einen der Säle einzubauen. Da es in Russland noch keine Bernsteinmeister gab und für den fast einhundert Quadratmeter großen Raum Paneele fehlten, wurde der obere Rang der Wände ausgemalt und die Bernsteinmosaike in Deckennähe imitiert. Schnell wurde klar, dass für die Aufstellung und Bewahrung der empfindlichen Bernsteinmosaike ein Fachmann notwendig war. Drei Jahre später wurde der berühmte Meister Friedrich Roggenbuch aus Königsberg für den Einbau verpflichtet. Er sollte auch die später notwendige Betreuung des Zimmers übernehmen. Mit Roggenbuch begann das Bernsteinkunsthandwerk in Russland. Zu ihm stießen weitere Königsberger Meister: Klemens Fride und Johann Gottlieb Welpendorf. In die neu entstandene Werkstatt kamen die späteren russischen Meister Gerasim Koslovskij, Nikita Savin und Alexander Mihajlov dazu.

Friedrich Roggenbuch starb 1771, und sein Sohn Johann wurde der "Hüter des Bernsteinzimmers" (heute Kurator) - der letzte, der die alte Tradition der Bernsteinschnitzkunst in Zarskoje Selo beherrschte. 1830 verlor das Bernsteinzimmer seinen professionellen Kurator. Die Blütezeit der Bernsteinschnitzkunst verging, und zusammen mit ihr starben die alten Meister, die die Geheimnisse dieser Kunst bewahrt hatten.

Etwa hundert Jahre später begann die Vorbereitung zur Restaurierung des Bernsteinzimmers. 1941 war die Bernsteindekoration in einem sehr schlechten Zustand, vor allem aufgrund unzulänglicher Restaurationsmethoden. Fehlende Fragmente wurden durch ungefärbten Bernstein, aus Gips gegossenen Stücken und sogar Siegellack ersetzt. Im Vorfeld großer Veranstaltungen am Hofe wurden die Paneele eilig überlackiert; 1911 wurden sie sogar mit Trockenöl behandelt. Mit dem damals verwendeten Harzkleber hielten der Bernstein und die Eichenholzpaneele kaum zusammen. Firniss und Trockenöl wurden dunkler und rötlich; Gravuren waren kaum zu sehen. Doch der Krieg vereitelte die geplante Restaurierung.

Am 22.06.1941 begann der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Wenige Monate später war das damalige Leningrad von der Wehrmacht eingekesselt. Die Vororte der Stadt, darunter auch Puschkin, waren von den Deutschen besetzt. Als sich das Kriegsglück wendete, und sich die Wehrmacht wieder zurückziehen mußte, wurde der Befehl ausgegeben, alle Kunstschätze mitzunehmen. Augenzeugen berichteten, die Bernsteinpaneele wurden damals in großer Eile von den Wänden gebrochen. Aufgrund des schlechten Zustandes sind viele Mosaike dabei einfach zerfallen. Man muß davon ausgegen, daß das Bernsteinzimmer also bereits beim Ausbau aus Zarskoje Selo weitgehen zerstört wurde.

Dann verliert sich die Spur in den Wirren des Krieges. Ein Konvoi von Lastwagen, beladen mit den Schätzen der Zarenpaläste und begleitet von ständigen Luftangriffen, macht sich auf in Richtung der deutschen Ostgebiete. Der Rest ist Legende und lieferte den Stoff für zahlreiche Kriminalgeschichten.

Es gibt zahlreiche Indizien dafür, daß sich das Bernsteinzimmer bis wenige Tage vor Einmarsch der Roten Armee auf der Burg Königsberg befand. Allerdings wurde diese in der selben Nacht von Fliegerbomben in Schutt und Asche gelegt. Wenn es dort war, dann ist es wahrscheinlich verbrannt. Bernstein ist nicht sehr hitzebeständig und kann einen Brand nicht überstehen.

Aber dann tauchte 1997 in Bremen ein Original-Steinmosaik aus dem Bernsteinzimmer auf. Kurze Zeit später sogar noch eine Empire-Kommode, die einst den Raum geziert hat. Das gab den alten Legenden wieder Auftrieb, der Schatz hätte die Kriegswirren überstanden, und wäre noch irgendwo versteckt. Hunderte von Schatzsuchern durchwühlten seit Kriegsende alte Stollen, Kellergewölbe oder Bunker nach dem Bernsteinzimmer. Doch die Experten sind sich einig: selbst wenn das Bernsteinzimmer jetzt noch gefunden werden würde, es wäre in einem so jämmerlichen Zustand, daß selbst eine aufwendige Restauration kaum wieder den alten Glanz zum Leben erwecken könnte.

Das mag ein Grund dafür gewesen sein, daß 1979 eine komplette Rekonstruktion beschlossen wurde, ein wissenschaftliches Unternehmen, das mit Forschungs- und Planungsarbeiten begann. So wurden Fotosammlungen, wissenschaftliche Arbeiten und historische Materialien aus Archiven, Behörden und Museen Russlands herangezogen. Basis der Rekonstruktion bildeten Fotos, die kurz vor Kriegsbeginn gemacht wurden, sowie einige Originalstückchen, die einst von den Paneelen abgefallen waren.

In den neunziger Jahren geriet das Projekt aus finanziellen Gründen ins Stocken. Der Zusammenrbruch der Sowjetunion verteuerte die Rekonstruktion enorm. Konnte der Bernstein früher über staatliche Kombinate an der Ostsee quasi umsonst bezogen werden, so mußte er dann teuer in den unabhängigen baltischen Staaten zum Marktpreis eingekauft werden. Rund sechs Tonnen Bernstein waren insgesamt nötig, wobei ein Kilo Roh-Bernstein gerade einmal 150 bis 200 Gramm verwertbares Material lieferte. Durch das vorbildliche Engagement der deutschen Ruhrgas AG konnte die Finanzierung ab 1999 jedoch sichergestellt und das Projekt vollendet werden. Die Sponsoring-Gelder wurden in Tranchen, nach vertraglich definierten Arbeitsfortschritten gezahlt, die von einem deutsch-russischen Beirat kontrolliert wurden. Bis 1999 arbeiteten etwa 20 Restauratoren in der Werkstatt, zu Spitzenzeiten waren es 60 Mitarbeiter.
Nach fast 24 Jahren seit Beginn der Rekonstruktion konnte das Bernsteinzimmer am 31. Mai 2003, pünktlich zum 300-jährigen Jubiläum der Stadt St. Petersburg, wieder vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeweiht werden. Somit wurde das Bernsteinzimmer letztendlich wieder das, was es ursprünglich einmal war: ein beeindruckendes Symbol deutsch-russischer Freundschaft.

Quelle: tlw. Ruhrgas AG, Tatjana Zharkova und Swetlana Sulimowa Bildquelle: tlw. Ruhrgas AG