Im ersten Teil unserer Reisebeschreibung sind wir bis Kem gekommen.
Nun saßen wir wieder in unserem Wolga und folgten der endlosen Straße nach Norden. Je weiter man sich von St. Petersburg entfernte, desto schlechter wurde die Straße. Anfangs noch geteert, waren wir irgendwann auf einer Schotterpiste unterwegs. Später wären wir über Schotter froh gewesen.
Schnurgerade geht es nach Norden
Am Polarkreis
Auf halber Strecke überquerten wir den Polarkreis auf 66 Grad nördlicher Breite. Ab hier geht die Sonne während der Sommersonnenwende nicht mehr unter, sondern streift gerade den Horizont.
Am Polarkreis
In Murmansk machten wir nur einen kurzen Stopp für eine Übernachtung. Die Stadt ist eine typische sowjetische Retortenstadt, uniforme Wohnblöcke mit einem gewissen Renovierungsbedarf und ein riesiger Hafen, der das Stadtbild dominiert. Das sowjetische Erbe war damals noch überall präsent.
Murmansk gewinnt keinen Schönheitswettbewerb
Das sowjetische Erbe ist überall präsent
Die Kola-Halbinsel
Murmansk ist das Tor zur Kola-Halbinsel, einer weitgehend unbewohnten Region nördlich des Polarkreises, die im Süden vom Weissen Meer und im Norden von der Barentssee begrenzt wird. Das Klima ist eher kontinental – die Sommer angenehm frisch und sonnig, die Winter eiskalt. Die Halbinsel ist kaum bewohnt und nur wenig erschlossen, sodaß sie ein echtes Naturparadies ist, wie man es in Europa oft vergeblich sucht. Und hier finden sich die unberührten Flüsse mit einem reichen Fischbestand. Unter Fliegenfischern ist die Kola-Halbinsel berühmt, da der atlantische Lachs „Salmo Salar“ hier seine Eier ablegt.
Die Bucht von Kandalakscha
Aber diese Flüsse muß man erst einmal erreichen. Von Murmansk führte uns die Straße nach Kandalakscha, das an einer langen Bucht am Ufer des Weissen Meeres liegt. Von dort aus führt dann eine Straße an der Südküste der Kola-Halbinsel nach Osten. In Umba gönnten wir dem Wolga eine kleine Pause.
Am Ufer des Weissen Meeres
Ein Nerz geht auf Tuchfühlung
Umba – russische Idylle im Nirgendwo
Umba ist eines jener ländlichen russischen Dörfer, an denen der Wandel der Zeit fast spurlos vorübergegangen ist. Egal, in welchem Jahrhundert ein Reisender nach Umba gekommen sein mag, er hätte es so vorgefunden wie ich im Jahre 2002. Ein idyllischer Ort aus kleinen Blockhäusern mit Obst und Gemüsegärten und mit Bewohnern, die auch völlig aus unserer Zeit gefallen zu sein scheinen. Aber das ist das eigentliche Herz Russlands. Wer das Land verstehen möchte, der darf sich nicht nur Moskau und St. Petersburg anschauen, sondern muß nach Umba fahren.
Umba – ein Dorf am Polarkreis
Dörfliche Idylle in Umba
Angelkähne in Umba
Eine warme Gastfreundschaft erwartete uns. Und wir wurden mit einer unnachahmlich köstlichen russischen Küche überrascht. Hier, am Ende der Welt, habe ich besser gegessen als im sündhaft teuren Szenerestaurant „Cafe Puschkin“ in Moskau. Bei einem Spaziergang durch das Dorf waren wir mit unserer ganzen Foto- und Kameraausrüstung leicht als Touristen zu erkennen. In einem der Obstgärten arbeitete eine alte Frau, die uns gleich eine Schale mit frischen Erdbeeren über den Zaun reichte. Wäre das in Deutschland vorstellbar, wenn Fremde durch ein Dorf laufen?
Russische Küche in Umba
Von Umba aus ging es weiter nach Osten und auch immer weiter in die russische Wildnis. Man merkte es an den Straßen. Aus den Schotterstraßen wurden bald Staubpisten, und der Wolga zog eine lange Staubfahne hinter sich her. Die Straßen waren aber mit den rosa Blüten des „Iwan Tschai“ (Tee des Iwan) gesäumt, sodaß sich ein wunderschönes Bild ergab. Dann waren die Straßen nur noch zu erahnen und man fuhr eben dort, wo schon andere Autos ihre Spuren hinterlassen hatten. Aber irgendwann war auch mit unserem Wolga kein Weiterkommen möglich und er steckte in einem Graben fest. Es half nichts, wir luden unser Gepäck aus und gingen zu Fuß weiter.
Auf der Schotterpiste nach Osten
Die Straße wird staubiger…
… bis man dann gar keine Straße mehr sieht…
… und der Wolga auch nicht mehr weiterkommt
Wenn nichts mehr geht, dann geht es zu Fuss weiter
Varzuga – das Ende aller Wege
Unser Ziel war eine Anglerbasis in Varzuga. Dort wollten wir hin und dort sollten eines Tages unsere Gäste ihren Angelurlaub verbringen. Die Blockhäuser waren schon teilweise fertig und standen auf einer Anhöhe über dem Fluß. Eine traumhafte Aussicht in die weite Landschaft belohnte uns für die anstrengende Anreise. Auf einer Veranda stand Kalugin, der Besitzer der Lodge. In seiner Arbeitshose, Armeejacke, offenem kariertem Hemd, unrasiert und mit einem riesigen Schnauzer gesegnet, wirkte er auf den ersten Blick eher wie ein russischer Bauer, der die große weite Welt nur aus dem Fernsehen kennt. Aber mir sind sofort seine wachen Augen aufgefallen, die uns verschmitzt anschauten und geschäftstüchtig taxierten.
Ohne Kalugin funktionierte nichts in Varzuga. Er war der lokale Fürst, der das Dorf fest im Griff hatte. Er baute bereits die zweite Angler-Lodge und war wohl auch der größte Arbeitgeber in Varzuga. Und nichts könnte so sehr täuschen wie der erste Eindruck, den er vermittelte. Wie wir später noch hören sollten, studierte seine Tochter in London.
Die neue Anglerlodge in Varzuga
„Willkommen in Varzuga“ meinte Kalugin. Wir konnten eines der neuen Blockhäuser beziehen und stellten dort unsere sündhaft teure Ausrüstung ab. Die Tür hatte kein Schloß und ich schaute ihn fragend an. „Keine Sorge, hier wird nichts gestohlen.“ Womit er dann auch recht hatte.
Varzuga war dann auch das Ende unserer Reise ins Land der Mitternachtsonne. Eine Weiterfahrt wäre nur mit Geländefahrzeugen möglich gewesen. Kalugin hätte uns zwar einen umgebauten Schützenpanzer zur Verfügung gestellt, aber wir mußten zurück nach St. Petersburg.
Die nördliche Landschaft hat uns aber sehr fasziniert, sodaß wir sicherlich eines Tages wiederkommen werden. Doch nun richtete sich unser Blick ganz nach Süden, zum Kaspischen Meer. Wir hatten gehört, das Delta der Wolga sei ein perfektes Revier für Angler, die große Fische lieben. Sehr große Fische.
Sollten Sie diese einzigartige Landschaft einmal selbst besuchen wollen, schicken Sie uns eine Nachricht. Gerne organisieren wir für Sie eine maßgeschneiderte Reise ins Land der Mitternachtsonne.